Wie man zum Misanthropen wird…

…geht ganz einfach: Täglich den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) nutzen.

Wie sieht so ein Tag in Bus & Bahn aber im Detail aus?

Sehr, sehr früh morgens, der Wecker klingelt. Es ist verdammt kalt. Ich muss derart früh aufstehen, um einigermaßen leere Züge für meine Fahrt zum Büro vorzufinden.
OK, das wäre als Autofahrer nicht anders, denn auch der Autobahnverkehr hat seine Stoßzeiten.
Ich brauche etwa 5 Minuten bis zur Bushaltestelle. Der Bus kommt laut Plan immer um 10 Minuten nach der vollen Stunde. Sicherheitshalber gehe ich dennoch um „ Punkt“ los, muss aber etwas langsamer laufen, denn der Boden ist glatt, es ist eben Winter.
Ein unangenehmer Wind pfeift um meine Ohren.

Um „7 Minuten nach“ biege ich um die Ecke und sehe gerade noch, wie der Bus – zu weit, als dass sich rennen lohnen würde – an der Haltestelle steht.
Offensichtlich hat der Fahrer aber bemerkt, dass er viel zu früh dran ist und hält noch eine Weile. Kurz bevor ich die Tür erreiche, setzt sich der Wagen jedoch in Bewegung. Ich schicke dem Busfahrer einen ausgestreckten Mittelfinger in den Rückspiegel hinterher und weiß in diesem Moment eines: Der Tag ist gelaufen und meinen Termin für heute morgen kann ich vergessen.

Denn der erfahrene ÖPNV-User weiß: Diese eine Minute, die zum Erreichen des Fahrzeugs fehlten, wird sich bis zur Ankunft am Ziel auf mindestens eine Stunde Verspätung summieren. Ich bin mir in diesem Augenblick recht sicher, dass Scratchings und aufgeschlitzte Sitze nicht zwangsläufig ausschließlich die Passion gelangweilter anatolischer Jugendlicher sein müssen, sondern der ganz „normale“ aber verärgerte Kunde von Verkehrsgesellschaften halt auch irgendwie seinen Frust ablassen muss.

Nach immerhin „nur“ 20 Minuten Wartezeit nehme ich also den nächsten Bus.
Der fährt allerdings eine andere Strecke zum Bahnhof, mitten durch ein Slum (Euphemismus: Problemviertel) und am Arbeitsamt (Euphemismus: Agentur) vorbei.
Schlagartig ändert sich auch das Publikum, wobei ich mich wundere, warum so mancher um diese Zeit überhaupt unterwegs ist. Obwohl: Ich bin ja schon aus meinem Zeitplan gelaufen.

Im Orientexpress sitzen nun geklonte ausländische (Euphemismus: migrantische) „Gangsta“ (Euphemismus: Jugendliche). Das sind die mit kiloweise Styling-Mousse in den Haaren, was dazu führt, dass sich ihre Schirmmützen oder Cappies (tragen sie alle, auch im Bus und vermutlich auch beim Friseur) rund 20 Kilometer über dem Kopf in einer Art Schwebezustand leicht auf der Haapracht aufgelegt befinden. Weil: Sonst geht ja die Frisur, die man ohnehin nie sieht, kaputt.
Aber auch so weiß ich, dass sich unter den komischen Hüten der David Beckham-Streifenhörnchenschnitt verbirgt, der seit 10 Jahren offenbar zeitlos in der Mode ist. Die hiesige Interpretation kann auch als Irokesen-Vokuhila bezeichnet werden.
Umgekehrt proportional zur weit oben aufgelegten Mütze befindet sich ebenso weit unterhalb des Normalniveaus ein Stoffsack, der sich Hose schimpft. Sieht alles in allem erbärmlich scheiße aus, traut sich nur keiner denen zu sagen, weil sonst schnell Messer.

Einer frisst einen dampfenden Döner und ich frage mich, wer solche Lebensmittel um diese Uhrzeit zubereitet.
Alle hören sie ätzende „Musik“ aus MP3-Playern, ohne sich die Kopfhörerstöpsel in die Ohren zu stecken. Einer hört sie auch direkt aus dem krächzenden Müll-Lautsprecher des Handys. Aber bei allen läuft Gangsta-RAP, Hiphop oder anderer Scheiß, der natürlich deshalb laut aufgedreht wird, weil man ohne Stöpsel im Ohr sonst nichts hört und damit auf jeden Fall ALLE, insbesondere die autochthone Bevölkerung, die furchtbar, furchtbar bösen Texte mitbekommen können. Die versteht man nur meistens nicht außerhalb der Gangsta-Kreise, also geht der Schuss ins Leere.
Immerhin sitzt der Großteil dieser Kids freiwillig ganz hinten im Bus, was interessant ist, bedenkt man, dass es in vielen weiß-dominierten Staaten früher üblich war, dass die Schwarzen hinten sitzen MUSSTEN. Die Mucke ist dennoch im ganzen Bus zu hören.

Sowohl Musik hören, als auch warme Scheiße zu fressen, ist eigentlich im Bus untersagt. Der Fahrer traut sich aber nicht, was zu sagen und ich klinke mich per MP3-Player ebenfalls aus. Das hilft wenigstens gegen den akustischen Smog, aber nicht gegen den Dönergestank und schon gar nicht gegen die Alkoholfahnen der beiden deutschen Penner, die jetzt einsteigen und wohl auf dem Weg zum Arbeitsamt sind.
Einer von beiden hat einen Hund, der ebenfalls stinkt. Glücklicherweise steigen sie in der Tat zwei Stationen später am Amt aus.
Die anderen Stinker fahren weiter mit.

Weil ich eine andere Linie benutze, als sonst, muss bzw. darf ich wenig später auch den Bus wechseln und befinde mich nun wieder in angenehmerer Gesellschaft.
Was bedeutet, dass der Bus fast leer ist, bis auf eine alte Frau und meine Person.

Am Bahnhof angekommen, gibt der Busfahrer die hintere Tür nicht frei und wir beide (die Oma und ich) müssen vorne aussteigen. Auf meine Anmerkung, dass er hinten mal hätte aufmachen können, meint der Pisser doch tatsächlich, ich soll die „Schnauze halten“.
OK, der ist also mutiger, als der Fahrer vorhin.
Aus den Augenwinkeln sehe ich meinen Zug bereits einfahren und ärgere mich, dass ich nicht spontan genug bin, was Passendes zu erwidern. Des Weiteren ärgere ich mich beim Aussteigen, ihn nicht zusammengeschlagen zu haben. Ich wünsche mir in dem Augenblick einen Testosteron-Boost oder wenigstens einen höheren Blutdruck. Ich sage und mache gar nichts.

Immerhin merke ich mir noch schnell die Wagennummer und werde den Pisser bei seinem Chef anschwärzen. HA!

Wirklich befriedigt bin ich nicht, aber jetzt muss ich erstmal rennen, um den Zug zu bekommen, was ich auch tatsächlich schaffe.
Natürlich versucht sich, wie jeden Tag, die ganze Meute wieder zuerst IN den Zug rein zu
schieben, bevor diejenigen, die sich im Zug befinden, ausgestiegen sind. Der Grenzwert der menschlichen Dummheit tendiert gegen unendlich und ich denke aus unerfindlichen Gründen an die Explosion eines Sprenggürtels, Knochenteile und zerplatzte Köpfe ohne Hirn.

Immerhin: Es ist zwar nicht der Zug, den ich eigentlich nehmen wollte – ich habe immerhin mittlerweile eine halbe Stunde verloren – aber ich bin im Warmen.

Im Abteil sehe ich einige bekannte Fressen, die eigentlich fast jeden Tag mit mir im selben Zug sitzen und wohl ebenfalls heute Morgen ein paar Probleme hatten. Einen Sitzplatz bekomme ich nicht. Im Gegenteil, an der nächsten Station wird der Zug so richtig voll.
Ich stehe wenigstens angelehnt an der Tür, jedoch eingequetscht wie in einer Sardinendose. Mittlerweile ist es nicht mehr kalt, sondern warm, stickig und schwül. Es riecht widerlich nach Mensch, akzentuiert durch zu viel Rasierwasser, was das Goldkettchen vor mir aufgetragen hat.
Ich lockere meinen Schal und versuche langsam zu atmen um einen Kreislaufkollaps zu verhindern.

In der Mitte des Türraumes sehe ich einen blonden Hardbody, der mir bereits beim Einsteigen aufgefallen ist, weil sich seine beiden Arschbacken wunderbar einzeln unter der Jeans abzeichnen. Sie ist vielleicht 20 und steht eingekeilt zwischen zwei schmierigen Typen. Alle drei halten sich an den Handschlingen über ihren Köpfen fest.
Jetzt fällt mir auf, dass der schmierigere von beiden, Schublade frustrierter Papi, mit Cordhose aus der Nachkriegszeit und Kinderschänder-Oberlippenbart offenbar ein Hüftleiden oder aber einen Haltungsfehler hat.
Bei genauerem Hinsehen wird mir aber bewusst, dass der Typ nur deshalb so komisch steht, weil er sich doch tatsächlich mit dem Genitalbereich am Arsch der kleinen reibt.

Ich sehe also zum ersten Mal einen Chikan und bin neidisch auf den frotteuristischen Schmierlappen.

Mein Gefühl in der Hose sagt mir, dass mit dem Testosteronhaushalt vielleicht doch alles in Ordnung ist.

An der nächsten Station steigt die Masse, vor allem Studenten, aus und ich sichere mir einen 4er-Platz, indem ich meine Sachen, wie Laptop-Rucksack, Koffer usw. auf den Plätzen verteile.
Aus den Augenwinkeln bemerke ich, dass jemand auf die von mir gebunkerten Plätze guckt, sich aber offensichtlich nicht traut, mich anzusprechen.
Das wiederholt sich noch zweimal, bis es dann doch geschieht. Dieses Etwas tippt mich an der Schulter an, ich sehe auf und…nichts passiert.

Wir warten beide…dabei halte ich den Blickkontakt und versuche möglichst neutral und nichts sagend zu gucken.

Dann bricht das Eis: „Darf ich mich da bitte hinsetzen?“.
Gönnerhaft wie ich bin, aber innerlich verärgert, antworte ich scheißefreundlich: „Aber klar, sprechenden Menschen kann geholfen werden“.
Nach und nach muss ich alle meine Sachen wegräumen und alle Plätze sind mal wieder belegt. Jetzt erst merke ich, dass ich vom Regen in die Traufe gekommen bin.
Im Zug befinden sich, wie alle paar Tage mal, große Gruppen von Leuten, die sich auf dem Weg zu irgendeiner Kegeltour oder Junggesellenabschied befinden.
Besonders die Frauengruppen sind dabei übel penetrant.
Meistens ab Mitte-Ende 40, jenseits von gut und böse, aber natürlich alle 10 cm dick geschminkt mit albern orange gefärbten Haaren haben sie sich mit kleinen Wodkafeiglingen und Sekt genug Mut angesoffen um jeden Schwanzträger blöd anzumachen und abstoßend schrill ein Idiotenlied nach dem anderen anzustimmen.
Da sich eine solche Truppe jetzt schräg gegenüber im Zugabteil befindet, kommt der MP3-Player wieder zum Einsatz, aber scheiße…

die Batterien sind leer.

Ich könnte kotzen, unterdrücke den Reiz aber, weil ich Angst habe, der Weiberhaufen könnte auf mich aufmerksam werden. In ein paar Jahren werden sie den Wodka gegen Eierlikör tauschen und brav zu Hause Karten spielen, dann werden sie mir egal sein.
Aber momentan wäre ich nicht böse darum, wenn alle an plötzlichem Herzversagen abkacken würden. Und zwar hier und jetzt auf der Stelle. Krebs wäre auch geil, dauert mir jetzt aber zu lange.

Vermutlich würde der Zug bei einer Herzattacke aber sowieso nicht weiterfahren, weil Notärzte das Abteil stürmen würden. Also schlechte Idee.
Und wie es der Zufall will, hält der Zug dann auch mitten zwischen zwei Stationen an und der Zugbegleiter greift zum Mikro und faselt was von einem Personenschaden auf der Strecke vor uns. JAAAA, der Jackpot. Das kann dauern.
Da wollte sich jemand umbringen und war vielleicht sogar erfolgreich dabei.
Näher drüber nachgedacht ist so ein Suizid auf Bahngleisen sicherlich nicht die schlechteste Option.
Dann kommen also die angesprochenen Notärzte und die Polizei, die untersucht, ob da alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Was recht unwahrscheinlich ist, wenn aus den zerstückelten Resten einer älteren Frauenleiche noch übrig gebliebene orangefarbene Haare herausragen sollten. In 90% aller Fälle war dann der Ehemann der Mörder.

Alle greifen zu ihren Handys und rufen bei ihren Chefs oder Kollegen an. Ein Höllenlärm bricht los. Mir fällt ein, dass ich auch Bescheid geben sollte und schreibe schnell eine Mail mit dem Blackberry. Ich weiß, dass keiner überrascht sein wird, denn alle wissen, dass ich mit dem Zug fahre.
Nachdem sich der Lärm gelegt hat, verbleibt eine weibliche Stimme, die uns andere ungefragt an ihrem Privatleben teilhaben lässt. Sie quatscht unaufhörlich in Ihr Handy mit Ihrem Stecher oder sonst wem.

Ich überlege doch ernsthaft, ob ich nicht doch etwas Alk von der Kegeltruppe schnorren soll, um mich zu betäuben.
Ich entscheide mich statt dessen dafür, mich umzusehen.

Alle schauen scheiße aus der Wäsche, außer der feiernden Weiber. Offensichtlich hat keiner eigentlich Lust, hier im Zug zu sitzen, alle sind genervt. Ich auch, aber ich bemühe mich, noch beschissener zu gucken, als die anderen, damit zwei Dinge klar werden. Erstens: Auch ich bin genervt, hier im Zug zu hängen und zweitens: das alles wäre nicht so schlimm, wenn ich nicht mit EUCH ALLEN hier im Zug sitzen müsste.

Da sitzt 2 Reihen vor mir schräg rechts mit dem Blick zu mir ein schwarzer Rastamann mit African-Unity-Wollmütze. Eine Gitarre steht neben ihm im Gang. Er quatscht unaufhörlich auf eine ca. 18 jährige Blondine ein, die nicht hübsch, aber doch OK ist. Sie scheint durchaus interessiert zu sein. Die Frage, die ich mir stelle ist, wie lange seine Aufenthaltsgenehmigung wohl noch läuft.

Direkt neben mir auf der anderen Seite des Ganges sitzt ebenfalls ein Schwarzer, ohne Rastamähne, aber mit blonder Frau und Kinderwagen auf dem Abstellplatz für Koffer, in welchem ich zwei doch recht niedliche Mischlingskinder entdecke, die glücklicherweise schlafen.
Die Frau ist weit im dreistelligen Kilogrammbereich und abstoßend hässlich. Sie lacht glücklich. Er auch, was mir klar macht, daß da keine Probleme mit der Aufenthaltsgenehmigung zu erwarten sein dürften.
Ich schaue nochmal auf die anderen beiden zurück und wieder auf das Paar mit Kinderwagen. Beim Gedanken an eine Zeitmaschine falle ich trotz der immer noch kreischenden Apfelsinenköpfe des Frauenkegelclubs in einen leichten Schlaf und träume von Schachbrettern auf denen “Bauer schlägt Frau” gespielt wird.

Nach geschlagenen 40 Minuten geht es dann weiter und noch zwei Stationen liegen vor mir. Die immer noch ihr Privattelefonat führende Alte von vorhin verstummt plötzlich und meint dann: „Scheiße, Funkloch“.
Ich meine: Scheiße, fall tot um.
Das Funkloch scheint etwas größer zu sein. Sie überprüft dies, indem sie mehrere Male versucht, eine Verbindung aufzubauen, doch mehr als ein „Hallo?“ kommt bei den „Gesprächen“ nicht zustande.

Durch die unfreiwillige Pause kommt es in der Folge zu mehreren „Überholungen durch ICE-Fernverkehrszüge“ (d.h., wir müssen warten, denn hier gilt das Recht des Stärkeren), die unsere Verspätung noch ansehnlicher gestalten.

Plötzlich noch eine Durchsage. Es befänden sich „Klaukids“ im Zug.
Bitte was? Noch nie dieses Wort gehört. Ja, da wäre wohl jemand bestohlen worden. Ausgezeichnet. Das heißt, nächste Station wird wieder angehalten und BGS bzw. Polizei kommen an Bord.
Irgendwann nach einer halben Ewigkeit komme ich dann endlich an meinem Zielbahnhof an. Ich atme kurz durch. Wenigstens dieses Mal keine Schulklassen.

Ich muss jetzt noch EINE einzige Station mit der S-Bahn fahren, das sollte ja kein Problem sein. Da ich den Fahrplan auswendig kenne, habe ich gegenüber den ganzen anderen ebenso genervten Pissern einen entscheidenden Vorteil und muss mich nicht mit 20 Personen vor einem einzigen Fahrplanaushang tummeln. Die Idee ist, möglichst schnell zum Nachbargleis zu sprinten und damit eine bestimmte S-Bahn zu erreichen, was meinen Zeitverlust (inzwischen rechne ich nicht mehr mit) immerhin wieder um 10 Minuten verringern würde.

Gesagt, getan. Leider haben wir es auf der Rolltreppe mal wieder mit menschlichem Versagen zu tun, denn das Phänomen, dass keiner kapiert, was das Schild „rechts stehen, links gehen“ bedeutet wird auch noch in 50 Jahren aktuell sein.
Was richtet eine hochgehende Handgranate wohl mit einer Rolltreppe an? – Personenschaden!

Ich verliere also wertvolle Sekunden, komme am Gleis an und sehe…

…das, worauf man sich eben immer verlassen kann. Natürlich hat auch diese S-Bahn „unbestimmte“ Zeit Verspätung. Schnell vergleiche ich im Kopf die diversen alternativen Fahrmöglichkeiten und als ich mich schon damit abfinde, Geld für ein Taxi zu bezahlen, fährt die Bahn dann doch mit 15 Minuten Verspätung in einem aufreizenden Schneckentempo ein, was mich veranlasst, dem Fahrer bei der Einfahrt fest in die Augen zu sehen. Er blickt stur nach vorne, aber ich bin mir sicher, er bemerkt mich aus den Augenwinkeln.
Ich weiß, dass er vermutlich nichts für die Verspätung kann aber ich will ihm signalisieren: „Ja, genau. DU lahmer Pisser bist dran Schuld. Man sieht ja an Deinem Kriechtempo während der Einfahrt, dass Du Deinen Führerschein im Bahnlotto gewonnen hast.“.

Alle Leute auf dem Bahnsteig haben die Schnauze voll, aber es herrscht eine seltsame Lethargie vor. Ich frage mich, warum nicht mal einer ausrastet. Oder warum tun sich nicht wenigstens in so einem Moment alle am Bahnsteig zusammen und spenden bei der Zugeinfahrt mit solcher Verspätung spontan Applaus?

„Jaaa, super, klasse, neue Bestzeit“ etc.?
Noch besser wäre es natürlich, wenn sich alle zusammenrotten würden und als Lynchmob den Bahnhof kurz von den ganzen Bahnversagern säubern würden.
Aus der Zeit, als ich mich noch rudimentär mit Jura beschäftigt habe, kenne ich noch so
geniale mittelalterlich anmutende Strafrecht-Paragraphen wie die „Bildung eines bewaffneten Haufens“. Diese Phantasie lässt mich innerlich laut loslachen. Wer würde diese Bahnpisser schon vermissen? Wenn sie in ihren Familien auch so lahmarschig sind, dann sicher keiner.

„Der Papa braucht heute nur etwas länger für den Weg von der Arbeit“ HAHA!

In der S-Bahn wird mir dann endlich die letzte Vorstellung des Tages geboten. Da kommen drei offensichtliche Zigeuner (Sinti oder Roma kann ich nicht erkennen und einen Nachweis über ihre Herkunft zeigen sie mir nicht) ins Abteil. Einer von ihnen, der Älteste spielt auf einem Akkordeon grässlich schlecht Musik. Vor und hinter ihm laufen jeweils kleine Kinder, die Geld sammeln.

Ebenfalls durch das Abteil streunt ein Penner, der leere Pfand-Flaschen sammelt.
So geht halt jeder seiner Arbeit nach.

Aber die Geschäfte laufen schlecht für die Zigeuner. Vermutlich waren zu viele Fahrgäste soeben im Klaukid-Zug und sind misstrauisch.
Ich schaue äußerst interessiert nach draußen und ignoriere die drei und den Penner, der zusätzlich merkwürdig einstudiert die Leute nach 50 Cent zum Telefonieren fragt.
Eins der Blagen tippt mich an, haut aber verschreckt ab, nachdem ich kurz drohend gucke.

Am Ende einer langen Reise, komme ich endlich an, mein Akku ist leer. Ich brauche jetzt Urlaub, Urlaub von der Menschheit.

4 Antworten to “Wie man zum Misanthropen wird…”

  1. […] nur reden, aber in Wirklichkeit nicht einmal wissen, dass sie die größten Schmutzfinken sind) und hier haben wir einen außergewöhnlich schönen Text, indem der Menschenmüll, den man immer aufs Neue begegnen muss, vortrefflich beschrieben […]

  2. Klasse Artikel, finde mich, trotzdem ich jahrzehntelang nicht mehr „öffentlich“ gefahren bin, irgendwie dort wieder.

  3. Klasse Bericht, man findet sich drin wieder. Auch wenn nicht jede Fahrt so aussieht. Aber wer Öffentlich fährt, hat was zu erzählen.

  4. Kommt mir doch sehr bekannt vor, zumindest aus der Zeit als ich täglich in der Bahn saß. Allerdings ist es mit dem Auto auch nicht besser – Drängler, Elefantenrennen und Stau, weil irgendwelche Maden meinen bei nem Auffahrunfall glotzen zu müssen – man könnte ja ne Leiche sehen und hätte beim Kaffeeklatsch was aufregendes zu erzählen. Addiert man dazu alte Männer mit Hut die in ihrem Mercedes notorisch Vorfahrt haben, dafür keinen Blinker kennen und nur halbwegs die Spur halten können, dann hat man ein einen ähnlichen Faktor und ich hatte mir schon oft einen schießwütigen Psychopathen mit Pumpgun im Arm als Beifahrer gewünscht.

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